Als Jörg Emmerich 2002 zum FC Erzgebirge kam, …

… glaubte der Hallenser so wenig wie seine Mannschaftsgefährten, dass man nur ein Jahr später in der 2. Bundesliga mitmischen würde. „Ich war schon 28. Mein Ziel hieß, erfolgreicher zu sein als in Erfurt, wo es in den beiden Jahren zuvor auch aufgrund einer langwierigen Schulterverletzung nicht nach Wunsch gelaufen war”, blickt „Emma” zurück. Dann aber erlebte er mit den Veilchen sechs wunderbare Saisons, in den vier letzten trug er die Kapitänsbinde.

Einer der Väter für den Erfolg des Aufstiegsteams von 2003 hieß zweifellos Gerd Schädlich. „Die große Stärke unseres Trainers war immer, dass er aus Spielern, die das eine oder andere Defizit hatten, das Maximale raus holte. Gerd hat Spieler, die das natürlich auch wollen mussten, besser gemacht. Ob in Aue oder später in Chemnitz, immer hat man eine Entwicklung seiner Mannschaften gesehen”, urteilt Emmerich. Außerdem habe der Trainer jederzeit vorgelebt, was er von den Spielern erwartete. „Schädlich war ehrgeizig, fleißig, korrekt, akribisch.” Ziemlich jeder Name jener Mannschaft, der im Mai 2002 das „Wunder von Aue” gelang, erfüllt die Einschätzung von „Emma”.

Wer kannte schon Skerdilaid Curri, Khvicha Shubididze, „Matze” Heidrich, die Bergers oder eben Jörg Emmerich? Vom ersten Moment habe die Chemie in der Truppe gestimmt, als der spätere Kapitän 2002 vom FC Rot-Weiß nach Aue kam. Ein Wechsel aus der Regionalliga Süd in die Nordstaffel. Schädlich hatte ihn wohl schon ein Jahr früher haben wollen, da aber war der gelernte Mittelfeldmann verletzt. In Aue stellte der Trainer den Neuling konsequent hinten rein, respektierte zugleich dessen offensive Ambitionen. So mancher im Erzgebirge sah die Verpflichtung skeptisch: Was holt er einen, der in Erfurt zuletzt meist auf der Bank saß? Zumal mit Maik Kunze, Radek Sionko, Holger Hasse und Borislav Tomoski Leistungsträger den Verein verlassen hatten. „Doch uns hat der Teamgeist getragen, zum Aufstieg genauso wie in den ersten Zweitligajahren”, erklärt Emmerich das funktionierende Getriebe, in dem er bald ein wesentliches Rad war.

Geboren am 9. März 1974 in Halle an der Saale, begann Jörg mit vier, fünf Jahren beim HFC zu trainieren. Dort blieb er bis zu den B-Junioren, wechselte dann zum SV Merseburg 99, der aus der BSG Chemie Buna Schkopau hervorgegangen war. „Mit den A-Junioren wurden wir letzter NOFV-Meister”, erwähnt der damalige Mittelfeldspieler seinen ersten richtigen Erfolg. Weitere folgten 1996 bis 2000 beim VfL Halle 96, der damals dem HFC den Rang abgelaufen hatte.

Die von Frank Intek trainierte Elf, in der auch der spätere Aue-Spieler Frank Berger stand, gewann 1997 und 1999 den Sachsen- Anhalt-Pokal, stieg in die Regionalliga Nordost auf. Nun gab es auch das erste Aufeinandertreffen mit den Auer Veilchen. Das sieht „Emma”, beim VfL schon Kapitän, heute so: „Vor allem beim Heimspiel in Halle erwischte ich nicht den besten Tag, wir verloren verdient 1:3 und ich fabrizierte einen fatalen Rückpass. Aber Gerd Schädlich muss doch ein paar gute Seiten entdeckt haben, jedenfalls hatte er mich danach auf dem Zettel.”

Parallel zur Fußballerlaufbahn lernte der Hallenser den Tischlerberuf, machte anschließend das Fachabitur im Baubereich (beides nützt ihm jetzt im Kleingarten auf dem Zeller Berg), das folgende Studium in Leipzig brach er dann aber zugunsten des Fußballs ab. Denn 2000 verpflichtete ihn der FC Rot-Weiß Erfurt, der sich ebenso wie der FCE (und anders als der VfL Halle) für die neue Regionalliga Nord qualifiziert hatte. Sein Umzug zwei Jahre später in Aue wäre beinahe ins Wasser gefallen. Mitte August traf das Jahrhunderthochwasser Sachsen. Jörg lebte in den ersten Wochen im Internat, für den Transport in die eigene Wohnung hatte die Familie einen Laster gemietet. „Im Stadion ahnten wir schon, dass sich da was zusammenbraut, wir haben den Umzug gerade noch geschafft, dann ging die Welt unter”, weiß er noch gut.

Keine so guten Erinnerungen hat der Kapitän an seine letzte Saison bei den Veilchen: „2007/08 war es nicht mehr die verschworene Truppe wie in den Vorjahren. Und obwohl viel Qualität zugeführt wurde, stiegen wir ab.” Emmerich hätte gern weitergemacht, spürte aber, dass es besser sei, neue Wege zu gehen: „Wenn mir Dinge nicht passen, spreche ich sie an, das ist meine Art. Es hat mir niemand direkt gesagt, aber ich merkte, dass ich nicht mehr so gewollt war. Es wäre keine fruchtbare Zusammenarbeit geworden. Und nach Chemnitz wäre ich kaum gegangen, wenn Herr Schädlich damals nicht ein Angebot vom CFC und mich gern in seiner Mannschaft gehabt hätte.”

Einfacher machte ihm das den Wechsel aus dem „Schacht” zum Lokalrivalen nicht, das hatte schon sein Coach zu spüren bekommen. „50 Prozent der Zuschauer hast du gegen dich, 50 Prozent sagen, lasst den doch erst mal machen. Nach dem ersten Jahr wurde ich dann zum Spieler der Saison gewählt, von den CFC-Fans. „Emma” muss seine Sache also wieder ordentlich gemacht haben, zumal die Chemnitzer 2011 in die 3. Liga aufstiegen. Da war Jörg zwar nicht mehr aktiv, sein letztes Spiel 2010 aber sei ein guter Abschluss gewesen: Da gewannen die Himmelblauen den Sachsenpokal, ausgerechnet gegen den frischgebackenen Zweitliga-Wiederaufsteiger FC Erzgebirge Aue. Emmerich übernahm nach Ende der aktiven Laufbahn und intensiven Fortbildungen im Sportmanagement den Sportdirektorposten beim CFC.

Die Widerstände und Belastungen in diesem Job hatte er aber wohl unterschätzt: „Die Rahmenbedingungen passten immer weniger und meine Familie sah ich nur noch nachts, wir einigten uns dann 2014 auf die Auflösung meines Vertrages.” Heute hält Jörg zwar zu vielen Weggefährten, ob aus der Hallenser, Erfurter, Auer oder Chemnitzer Zeit, Kontakt und kann sich eine neue Arbeit im Fußball vorstellen. Der Fokus aber liegt auf anderem: „Meine Frau Sandra führt in Aue den Cateringbetrieb ,Piep, Piep, Piep’ an der Brodaufstraße. Außerdem holen wir jetzt das Familienleben nach, für das in meiner Profizeit eher wenig Zeit blieb. Beim CFC bin ich ehrenamtlicher Co-Trainer der D-1-Junioren, wo auch mein Sohn Erik spielt, wie anfangs ich auch im Mittelfeld. Außerdem machen wir auf dem Zeller Berg, wo ich seit 2002 auch wohne, einen ziemlich wilden Garten Stück für Stück urbar.”

Begeistert ist der Ex-Veilchenkapitän vom neuen Erzgebirgsstadion: „Das haben die richtig gut gemacht. Es wurde gut in Steine investiert und wird nun darauf ankommen, das Ganze mit Leben zu füllen. Die 2. Liga zu halten, aber auch das Nachwuchsleistungszentrum zu entwickeln bleibt eine Riesenaufgabe.”

Quelle: fc-erzegbirge.de / Olaf Seifert